Als Berater für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen im Kontext von Vertrieb 4.0 werden wir von unseren Kunden immer wieder mit der Anforderung konfrontiert, ein „perfektes, flexibles und zukunftsfähiges“ IT-System für den Vertrieb zu planen, welches idealerweise nicht nur die aktuellen Anforderungen sondern möglichst auch die der kommenden 10 Jahre erfüllen kann.

Mission Impossible

Interessanterweise tappen oftmals gerade die als marktführend wahrgenommenen Unternehmen in diese technische und organisatorische “Perfektionismus-Falle” bei der Umsetzung der Paradigmen von Vertrieb 4.0. Sie wollen ihre oft stark veralteten technischen IT-Systeme (CRM, ERP) entweder mit wenig Aufwand zukunftsfähig machen oder aber durch ein neues, perfektes und für alle künftigen Herausforderungen gewappnetes (CRM-)System für den Vertrieb ersetzen. Natürlich will man dabei auch möglichst wenig investieren und sehr ressourcenschonend vorgehen. Die Umsetzung von Vertrieb 4.0 soll dann von einem Assistenten des IT- oder Vertriebsleiters verantwortet werden, der zudem als „Digital Evangelist“ nebenbei auch noch alle anderen Unternehmensstrukturen ins digitale Zeitalter transformieren soll. Das jedoch ist eine „Mission Impossible“ und wir kennen kein Unternehmen, das einen derartigen Zielkonflikt kompromisslos hätte für sich lösen können.

Denkmuster aus dem letzten Jahrhundert

Doch woher stammt dieser Denkfehler? Dazu müssen wir in die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts zurückblicken, also den Zeitraum in welchem viele der heute verantwortlichen CIOs ihre eigenen, unmittelbaren Praxiserfahrungen gesammelt haben. Damals hatten die etablierten IT-Unternehmen wie IBM, SAP und andere ihren Fokus auf der Einführung kompletter ERP Landschaften. Die Probleme ihrer Kunden lösten sie, indem sie einfach eine bestehende Arbeitsweise in einem Unternehmen möglichst 1:1 in einem preiswerten Stück Software abgebildet haben. Vorher war es Handarbeit und Papier, nachher eben eine Software im PC.

Der Vertriebsprozess selbst dagegen blieb davon weitestgehend unberührt, bestenfalls wurde noch eine Adressverwaltung mit Umsatzlisten kombiniert. Zu dieser Zeit konnte sich aber auch noch niemand vorstellen, wie die B2B-Vertriebsprozesse 15 oder 20 Jahre später aussehen und funktionieren würden. Dieser Umstand ist bis heute auch im Kontext von Vertrieb 4.0 noch unverändert gültig. Er hat sich sogar noch weiter verschärft, da sich die Geschwindigkeit des digitalen Wandels und die damit verbundenen Einflussfaktoren massiv erhöht haben.

Man kann aber aus den Erfahrungen von IBM & Co für den Vertrieb 4.0 doch etwas lernen, weil auch damals nämlich versucht wurde, „moderne” Vertriebsprozesse (Beispiel BANT-Kriterien) und ihre Anforderungen vollständig in den bestehenden IT-Infrastrukturen abzubilden. Der Vater der populären IBM Websphere Plattform, Donald Ferguson, bringt das in einem Interview ziemlich auf den Punkt:

Frage:
“What’s the biggest technology mistake you ever made – either at work or in your own life?”

Antwort:
“When I was at IBM, I started a product called Websphere [which helps companies to operate and integrate business applications across multiple computing platforms]. Because I had come from working on big mission-critical systems, I thought it needs to be scalable, reliable, have a single point of control … I tried to build something like a mainframe, a system that was capable of doing anything, that would be able to do what might be needed in five years. I call it the endgame fallacy. It was too complex for people to master. I overdesigned it.“

Das „perfekte Vertriebs-System“ – ein Denkfehler

Diesem Denkfehler, unbedingt bereits zu Beginn ein perfektes System für den digitalisierten Vertrieb zu definieren, unterliegen heute auch die meisten etablierten Unternehmen, die sich in Richtung Vertrieb 4.0 bewegen. Sie versuchen zwanghaft ihre IT-Prozesse im Vertrieb so weit wie möglich gleich komplett zu definieren und danach umzubauen, so dass man alle Eventualitäten des digital unterstützten Vertriebsprozesses auf Anhieb meistern kann. Der Anspruch dabei ist nicht mehr und nicht weniger, als „das perfekte Vertriebssystem“ digital abzubilden.
Doch das ist aufgrund der Dynamik in der Digitalisierung und den rasanten Entwicklungen im technischen Fortschritt von der IT-Abteilung in absehbarer Zeit so nicht umsetzbar. Denn niemand kann heute wissen, welche Arbeitsweisen und Prozesse in fünf Jahren für einen erfolgreichen Vertrieb relevant sein werden. Alles, was heute noch einen Knaller in der Branche darstellt, kann bereits in zwei Jahren ein vom Kunden als selbstverständlich erachteter Standard sein.

Alte Probleme werden ohne eigene Digitalisierung verschärft

In der Zwischenzeit sind die Außendienstmitarbeiter aber leider noch immer mit Block und Stift sowie Print-Katalogen und Papier-Datenblättern unterwegs, bestenfalls unterstützt durch einige Powerpoint-Präsentationen auf unhandlichen Laptops. Gleichzeitig führt der digitale Fortschritt aber dazu, dass dem Vertriebsmitarbeiter Kunden gegenüber sitzen, die sich dank Internet immer besser informieren. Gleichzeitig bearbeiten bzw. betreuen immer mehr Wettbewerber ihre Interessenten und Kunden mithilfe der Digitalisierung viel intensiver als früher und sichern sich damit Wettbewerbsvorteile. Steigender Aufwand für Angebotstermine, sinkende Abschlussquoten sowie Nachwuchsprobleme machen die Situation zusätzlich nicht einfacher.

Vertrieb 4.0 – schneller Einstieg contra perfekte Lösung

Für jedes Unternehmen, das mittel- bis langfristig überleben möchte, stellt sich daher nicht die Frage, ob die Vertriebsprozesse im Sinne von Vertrieb 4.0 digitalisiert werden sollen, sondern nur noch wann. Dabei gilt eindeutig der Grundsatz: Je schneller, desto besser! Denn es werden jene Unternehmen, die einen unmittelbaren, leichtgewichtigen Einstieg in die digitalen Vertriebsprozesse wählen, wie z.B. mit VERMO cloud, um diese dann erst im Laufe der Zeit zu optimieren und zu erweitern, die Nase vorn haben. Diejenigen Unternehmen dagegen, die in langwierigen internen Verfahren versuchen, gleich auf Anhieb ein bis ins letzte Detail perfektes Vertriebs-System zu kreieren, werden das Nachsehen haben. Für ein Unternehmen ist es daher ratsam, sich gut zu überlegen, in welcher technischen Perfektion man seine Vertriebsprozesse im Kontext von Vertrieb 4.0 im ersten Schritt digital abbilden will, um nicht am Ende in die „Perfektionismus-Falle“ zu tappen.


Blog-Reihe „Vertrieb 4.0 – Digitalisierung und Vernetzung der Prozesse in Vertrieb und Marketing“


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